22.04.22

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STIMMEN AUS DEM HANDWERK – Eine Kostprobe

Die Feminismusdiktatur hat – so glauben manche – uns alle bereits ins Matriarchat katapultiert, wo wir uns mundtot der Politicial Correctness unterwerfen müssen. Obwohl wir gemeinschaftlich festhalten können, dass das nicht der Fall ist – und nebenbei bemerkt auch gar nicht Ziel des Feminismus – hinken wir im Handwerk leider nochmal einige Jahrzehnte hinterher. Wo unsere Gesellschaft schon ein paar Zentimeter toleranter geworden ist, hält das Handwerk nach wie vor an uralten Strukturen fest. Angefangen bei: Wer repräsentiert eigentlich das Handwerk? Jedes Handwerk braucht seinen Meister. Hast du an einen Mann gedacht? War er weiß, heterosexuell und Mitte fünfzig? 

Die Repräsentation des anderen Geschlechts reicht oft gerade mal für die Feststellung, dass Heteromänner gerne nackte Frauen anschauen. So wirbt die Firma Rohr- und Kanalreinigung Schwarzer im Jahr 2019 auf ihren LKWs immer noch mit einer leicht bekleideten Frau und dem Slogan „Wir kommen immer durch“. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZHD) schreibt zu der – im Übrigen seit den 1990ern unverändert niedrigen – Frauenquote im technischen Handwerk: „Im 21. Jahrhundert starten sie [Frauen] deutlich qualifizierter und selbstbewusster in ihre Ausbildungen.“1 Davor waren sie wohl einfach unqualifiziert und schüchtern. Noch eine – wie wir finden – etwas zynische Bestandsaufnahme des ZHDs zum Weltfrauentag 2021 hält fest, dass in Deutschland bereits 18,3 Prozent aller Auszubildenden im Handwerk Frauen sind2. Liest man weiter, sind das vor allem die Kosmetik (99,2% Frauen), das Konditorhandwerk (80,4% Frauen) oder Friseur:innen (74,7% Frauen). Bei allen, bestimmt gut gemeinten Bemühungen, qualifiziert sich das kaum für einen die Geschlechterrollen aufbrechenden Beitrag zu Ehren des Weltfrauentags
Man kann sich jetzt zurecht fragen: 
Womit qualifiziert ihr euch denn für einen die Geschlechterrollen im Handwerk aufbrechenden Beitrag? Gute Frage. 
Auch wir sind Teil des deutschen Handwerks und auch wir reproduzieren diese staubigen Strukturen als Teil eines ungleichen Systems. Zunächst sei gesagt: Die Geschlechterrollen aufbrechen werden wir so schnell überhaupt nicht. 
In unserer Werkstatt steht ein Mann, der die Möbel designt und fertigt und in unserem Team gibt es bisher keine Menschen mit Behinderung oder mit anderen Geschlechtsidentitäten. Das machen wir keineswegs aus Überzeugung, sondern weil uns die Ressourcen dazu fehlen. 
Wozu wir aber die Ressourcen haben und was uns als logischer erster Schritt erscheint, ist Folgendes:
Wir starten eine Interviewreihe mit dem sachlichen Titel „Stimmen aus dem Handwerk“. Darin wollen wir zunächst nur zuhören und lernen und Menschen, die von Ungleichheit im Handwerk betroffen sind, für uns sprechen lassen. Wir laden euch alle 
dazu ein, mit uns zu lernen oder sogar eure Geschichten aus dem Handwerk mit uns zu teilen. 
Wir möchten uns dabei nicht als Expert:innen für Gleichstellung im Hand-werk darstellen, sondern einen Raum schaffen, in dem alle Menschen zu Wort kommen können: FLINTA*, People of Color, Männer und alle, ihre Erfahrungen in der Männerdomäne Handwerk teilen möchten. Den Anfang machen drei Tischlerinnen deren Interviews in den kommenden Wochen online erscheinen werden. 

Abschließend möchten wir auf das [Tischlerinnen*treffen] verweisen. 
Das jährliche Treffen findet immer im September statt und ist ein Ort der Vernetzung für Frauen* im Tischlerei-Handwerk. 

Quellen:
1. Dohle, A. (o.D.): Frauen im Handwerk. In: Zentralverband des Deutschen Handwerks, www.zhd.de. URL: https://www.zdh.de/ueber-uns/fachbereich-soziale-sicherung/frauen-im-handwerk/
2. Frauen im Handwerk: Eine Bestandsaufnahme zum Weltfrauentag (08.03.2021). In: Deutsche Handwerkszeitung, www.deutsche-handwerks-zeitung.de. URL: https://www.deutsche-handwerks-zeitung.de/frauen-im-handwerk-eine-bestandsaufnahme-zum-weltfrauentag-166993/