13.07.21

Mikroplastik_Leim_Umweltschutz

Leim aus Plastik?

Mit der Idee, nachhaltige Möbel fürs Büro herzustellen, laufen wir noch keine offenen Türen ein.
Eher bewegen wir uns in einer öko-sozialen Nische der Möbelindustrie, die bisher kaum genutztes Entwicklungspotential birgt. Eine Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) zeigt, dass über 80% der Unternehmen an einer umweltfreundlichen Aus- und Einrichtung interessiert sind1. Leider scheitert oftmals die Umsetzung von Nachhaltigkeitskonzepten, die den gesamten Wertschöpfungsprozess eines Unternehmens mit einschließen. Von der Wahl eines geeigneten Klebstoffes bis hin zu Gleichberechtigung für alle und fairen Arbeitsverhältnissen entlang der gesamten Prozesskette.


Egal ob das Arbeitsleben dieses Jahr weiter im Homeoffice stattfindet, oder im Großraumbüro – viele von uns brauchen einen Arbeitsplatz. Deutschlandweit arbeiten insgesamt rund 15 Millionen Menschen in Büros2, was das Potential für nachhaltige Büromöbel noch stärker verdeutlicht. Stattdessen ist der Ressourceneinsatz in der Büromöbelbrache immer noch sehr hoch, Produkte sind oft nicht kreislauffähig, reparier- oder langfristig nutzbar3 und in der Verarbeitung kommt es noch zum breiten Einsatz gesundheits- und umweltschädlicher Chemikalien, wie zum Beispiel von Formaldehyden4.

Formaldehyd ist ein Klebstoffbestandteil in Holzwerkstoffen, der häufig in der Möbelproduktion verwendet wird. 2014 wurde der Stoff von der EU als krebserregend eingestuft5. Der chemische Stoff wird nicht nur in der Produktion freigesetzt, sondern kann auch aus dem fertigen Möbelstück ausgedünstet werden, das bei uns zuhause steht. Grundsätzlich bringt das Verleimen von Einzelteilen einige Vorteile gegenüber der mechanischen Verarbeitung wie zum Beispiel der Verschraubung. So kann beispielsweise Gewicht reduziert werden, was bei dem Transport Emissionen spart. Bei claus+claus verwenden wir Formaldehyd-freien PVAc-Weißleim. Der ist für die Gesundheit unbedenklich und erfüllt seinen funktionellen Zweck. Weißleim ist aber auch flüssiger Kunststoff. Das bedeutet, dass er im trockenen Zustand zu Mikroplastik werden kann. Mikroplastik entsteht in der Werkstatt dann, wenn Leim aus den Fugen austritt, weg geschliffen und nicht richtig entsorgt wird. Die winzigen Plastikteile entkommen später den Filteranlagen und gelangen über Umwege in den Boden und naheliegende Gewässer, in die dort lebenden Tiere und über Nahrung, Luft und Wasser auch in uns Menschen6. Bei einem stabilen Design und einer langfristigen Nutzung richtet der synthetische Leim in den Fugen aber erstmal keinen Schaden in der Umwelt an.

Alternative, organische Leimsorten sind entweder noch in der Testphase oder beinhalten einen Trade-Off, der die scheinbaren Vorzüge in den Schatten stellt. So forscht das Fraunhofer-Institut für Holzforschung zu biobasierten Holzklebstoffen aus Lignin. Lignin ist ein Abfallprodukt der Papierproduktion und zeichnet sich durch seine natürliche Klebe-Eigenschaft aus7, das Projekt steckt aber noch in den Kinderschuhen. Apropos Kinder: in der Sendung mit der Maus wird Leim aus einer Mixtur aus Quark und Kalk hergestellt. Später wird damit ein Auto in einem eindrucksvollen Manöver an ein Holzkreuz geklebt und mit einem Kran hochgezogen8. Nicht nur aus Milch sondern auch aus tierischen Bestandteilen werden in alter Tradition Leime hergestellt. Hasen-,Haut-, Knochen- oder Fischleim sind organische Alternativen zu synthetischen Leimen, die mittlerweile deutlicher seltener verwendet werden. Leider sind Produktionsbedingungen dieser Leime so heftig intransparent, dass wir uns nicht allzu sehr über diese Möglichkeit freuen. 

Bei all den Bemühungen entziehen sich manche Entscheidungen unserem Einfluss. Welcher Leim in zugekauften Werkstoffen verarbeitet ist, fällt in den Verantwortungsbereich des Herstellers. Trotzdem helfen Leime dabei, unsere Produkte stabiler und damit langfristig nutzbar zu machen. Auch wenn die Frage nach dem ultimativ funktionellen, umwelt- und gesundheitsverträglichen Leim nicht endgültig geklärt ist, helfen Verleimungen bei dem vielleicht wichtigsten Aspekt einer umweltverträglichen Produktion: der Reduktion des Gesamteinsatzes natürlicher Ressourcen. Neben der Wiederverwendung aussortierter Spanplatten, wollen wir Möbel herstellen, die sich unversehrt an die unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen anpassen und euch Jahrzehnte lang begleiten. Ein Modell, viele Variationen, wenige Ressourcen und keine Schadstoffe.




QUELLEN:

1Rief et al. (2014): Green Office: Motive, Erwartungen und Hemmnisse bei der Einführung umweltfreundlicher Maßnahmen in der Gestaltung von Büroarbeit (2. Auflage). Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Frauenhofer Verlag, S. 2

2Hammermann & Voigtländer (2020): IW-Trends 3/2020 – Bürobeschäftigte in Deutschland. Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. (Hrsg.), S. 61

3Verlop, W. (2010): Zertifizierung und Labels für Büromöbel – Green Furniture. In: Spath, Bauer, Rief (eds) Green Office. Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, S. 11.
URL: https://doi.org/10.1007/978-3-8349-8952-9_11

4 Schirp, C., Mérono, M. (2018): Qualitätsprüfung und -bewertung. Fraunhofer-Institut für Holzforschung Wilhelm-Klauditz-Institut WKI. Unter: https://www.wki.fraunhofer.de/de/fachbereiche/ot/profil/forschungsprojekte/formaldehydfreie-dispersionsklebstoffe-fuer-holzwerkstoffe.html

5 Umweltbundesamt (2015): Formaldehyd. Unter: https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-menschen/chemische-stoffe/formaldehyd#formaldehyd-neue-einstufung-durch-die-eu

6 Senathirajah, K., Palanisami, T., University of Newcastle (2019): How much microplastics are we ingesting? Estimation of the mass of microplastics ingested. Bericht für WWF Singapur

7 Eschig, S. (2018): Oberflächentechnologie: LignoGlue – Biobasierte Holzklebstoffe aus Lignin. Frauenhofer-Institut für Holzforschung Wilhelm-Klauditz-Institut WKI. Unter: https://www.wki.fraunhofer.de/de/fachbereiche/ot/profil/forschungsprojekte/lignoglue-biobasierte-holzklebstoffe-aus-lignin.html

8 TVKinderserien (2014): Die Sendung mit der Maus – Leim aus Milch (Sachgeschichten) 1991. [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=Hg0Lc5hQqtI&t=191s